Hallo meine Lieben,
noch ein letztes Mal etwas Text und zwei Bildchen, bevor wir am Sonntagmorgen in Frankfurt ankommen. Im Moment stehen wir auf einem sch?nen Campingplatz rund 100 km s?dlich von Atlanta. Ein Unterstellplatz f?r das Auto ist gebucht, ebenso die Fahrt zum Flugplatz mit einem Taxi. Auch der Hund wurde einer Tier?rztin vorgestellt und als transportf?hig befunden. Mal sehen, was trotzdem noch schiefgeht….
Bis demn?chst; wir freuen uns, Euch pers?nlich wiederzusehen.
Herzlichst, Claudia, Gerd und Pelzgesicht
Die letzten Wochen
Von Minnesota fahren wir wieder nach Norden. Uns steht nicht der Sinn nach eint?nigem Farmland, wo wir doch bis zum R?ckflug noch fast sechs Wochen Zeit haben. Also auf nach Ontario, der kanadischen Provinz, die aus mehr Seen als Landfl?che zu bestehen scheint. Hunderttausend blaue Wasserfl?chen, alle umrandet mit dichten Laub- und Nadelw?ldern, erwarten uns. Tiefste Wildnis, mit dem Nachteil, dass nur wenige Wege hindurch und zum Wasser f?hren. Und wenn, dass ist an diesen Stellen das Campen verboten. Wir lassen uns nicht entmutigen und finden ungest?rte Stellpl?tze auf kleinen Waldlichtungen, die mit Heidel- und Himbeerstr?uchern bestanden sind. Schnell blasen wir das kleine Schlauchboot auf und begeben ans aufs Wasser.
Strolch kommt nat?rlich mit, auch wenn er dazu seine Schwimmweste tragen muss. Da sich der blaue Himmel schnell mit Wolken beziehen und der Wind auffrischen kann, scheint uns diese Vorsichtsma?nahme geraten. Er legt seine Vorderpfoten auf den vorderen Bootsrand, darauf den Kopf und genie?t das leichte Schaukeln auf dem Wasser.
Sp?ter geht?s ohne ihn zum Angeln; leider erfolglos. Es ist seit Tagen sehr hei?, die Fische m?gen offenbar nicht bei?en. Kann man nichts machen, wir halten uns an den Heidelbeeren schadlos.
Nat?rlich gibt es hier au?er dem ?blichen Wildbestand auch wieder B?ren, so dass wir bei den Spazierg?ngen mit Strolch vorsichtig sein m?ssen. Wir haben keine Waffen und nur mit einem Stock m?chte ich keine Attacke abwehren m?ssen. Aber wie raten die Faltbl?tter: ?Laut singen, wenn einer kommt, in die H?nde klatschen oder ihn anbr?llen, ansonsten auf den Boden legen und ?Toter Mann? spielen?. Aber was, wenn er sich den Strolch packt?
Nach knapp zwei Wochen haben wir den Oberen der Gro?en Seen umrundet und ?berqueren erneut die US-Grenze. Wir besuchen die beeindruckenden Niagara-F?lle, dann geht?s durch die Staaten New York, Pennsylvannia, West Virginia nach Virginia. Tagelang fahren wir durch die n?rdlichen Appalachen, neben den Rocky Mountains der zweite gro?e Gebirgszug, allerdings im Osten. Zwar sind die h?chsten Erhebungen nur rund 1000 m hoch, doch durchqueren wir st?ndig tiefe Schluchten und k?mpfen mit steilen Anstiegen. Die unendlichen dichten W?lder werden aufgelockert von kleinen, sehr gepflegten Farmen, D?rfern und St?dtchen. Vor jedem Haus finden sich mit der Nagelschere geschnittene Rasenfl?chen; alles sehr gepflegt und pieksauber. Allerdings finden wir nur mit M?he Stellpl?tze f?r die Nacht.
Heute herrscht den ganzen Tag dr?ckende Schw?le, so dass wir beschlie?en, den Shanondoah-NP aufzusuchen und uns auf einem Campingplatz zu erholen. Nat?rlich wieder die obligatorischen Warnungen vor ??ren, die es auch hier in den Hochlagen der Appalachen geben soll. Wir m?ssen sogar unterschreiben, dass wir keine Lebensmittel au?erhalb des Fahrzeugs lagern. Wir machen uns keine Sorgen. Viele Besucher schlafen schlie?lich in Zelten. Dann bellt Strolch wie wild. Irgendwie klingt es ?ngstlich, er hat sich unters Auto verzogen. Sollte er sich vor den Rehen f?rchten, die v?llig ohne jede Scheu auf den Lichtungen ?sen? Eigentlich nicht seine Art. Claudia geht mit ihm ein paar Schritte spazieren und berichtet, dass sie einen Schwarzb?ren gesehen h?tten, nur ein paar Schritte entfernt. Schnell packen wir alle Lebensmittel in die K?hltruhe und verschlie?en die Eingangst?r. Sp?ter will sie noch einmal eine kleine Wanderung machen und bittet mich, mitzukommen. Ich soll im Fall des Falles also mit dem B?ren k?mpfen.
Als Strolch pl?tzlich unruhig wird, sehen wir im Geb?sch tats?chlich auch wieder einen Schwarzb?ren friedlich ?sen. Offensichtlich haben sich hier im Park die Wildtiere total an den Menschen gew?hnt. Aber, zumindest was uns betrifft, noch nicht alle Menschen an die B?ren.
Wir stehen vor einem kleinen W?ldchen auf einer noch kleineren Wiesenfl?che am Rand einer Landstra?e, eigentlich einem besseren Feldweg. Rechts an unserer Seite eine Tabakpflanzung, deren goldgelbe Stauden allm?hlich braune F?rbung zeigen. Es ist dr?ckend schw?l; im Auto 32?C. Das seit Tagen. Seit wir die H?hen der Appalachen verlassen haben, herrschen Temperaturen wie zuletzt im S?den Mexikos.
Auch unser Abstecher an die Atlantikk?ste, von dem wir uns so viel versprochen hatten, hat diesbez?glich kaum Linderung gebracht. Wir besuchten die vorgelagerte Inselkette der Hattaras Islands mit dem gleichnamigen Kap, die sich weit in den Atlantik vorschiebt und mit ihren gef?hrlichen Str?mungen und Sandb?nken eine Gefahr f?r die Schifffahrt darstellte. F?r uns eine wundersch?ne D?nenlandschaft, auf der wir einen Stellplatz auf einem kleinen Campground finden. Schwimmen kann man im Meer allerdings nicht, daf?r sorgen die m?chtigen Brecher der heranrollenden Wogen. Wir genie?en die frische Meeresbrise im Schatten des Campers. Nachts allerdings halten wir es drinnen kaum aus, vor allem wegen der winzigen kleinen M?cken, f?r die die Moskitonetze keine Hindernisse darstellen. Morgens sind wir total zerstochen, so dass wir nach zwei Tagen das Weite suchen.
Die letzte Nacht verbrachten wir in einem Kiefernwald, ebenfalls bei tropischen Temperaturen und nat?rlich mit den gleichen winzigen Plagegeistern.
Strolch scheint es zu viel zu werden, er m?chte pl?tzlich raus. Da er das Kratzen an der T?r bislang nur bei wirklich ernsten Anl?ssen zeigte, ?ffne ich ihm. Normalerweise kommt er dann bald nach Erledigung seines dringenden Gesch?fts zur?ck, diesmal allerdings nicht. Wir steigen aus, pfeifen rufen. Er bleibt verschwunden. Nach einer geschlagenen Stunde steht er dann pl?tzlich wieder vor der T?r, die nur mit unserem Moskitonetz verschlossen ist.
Kurze Zeit sp?ter dann der Regen, nachdem immer wieder Blitze f?r ein nicht abrei?endes Wetterleuchten gesorgt hatten. Doch dieser Regen ist anders. Er scheint nicht aus einzelnen Tropfen zu bestehen; es h?rt sich an, als w?rde jemand den gesamten Inhalt mehrerer Badewannen auf einmal ?ber dem Auto auskippen.
Es wird immer schwieriger, einen Stellplatz f?r die Nacht zu finden. Wir stehen nicht gerne auf Campgrounds, nicht nur wegen der unn?tigen Kosten, da wir keine Anschl?sse f?r Wasser, Abwasser und Strom haben wie die gro?en R+Vs der Amerikaner mit ihren meist ?ber 12m L?nge. Aber auch mit Strolch f?hlen wir uns in der freien Natur wohler. Hier darf er bellen, sein Gesch?ft erledigen und oft auch frei laufen.
Doch die Amerikaner sind vorsichtige Menschen. Alles ist weitr?umig eingez?unt, Zufahrten, Feldwege und was sonst von der Stra?e abgeht, ist zumeist versperrt oder mit Schildern wie ?Keep Out?,? No Trespassing?, Posted? oder diversen Warnungen versehen.
Gerade haben wir Besuch von einem Herrn mit Pickup, der sich unserem m?hsam gefundenen Stellplatz n?hert und wissen m?chte: ?Whats going on, what are you doing here?? Er erkl?rt, es sei ungew?hnlich, dass jemand hier st?nde, noch ungew?hnlicher, dass er dann auch noch auf dem Computer tippe. Ob ich mich in ein Netz einhacken wolle? Und wieder erz?hle ich die Geschichte unserer Reise, zeige den Reisebericht aus China und kann ihn schlie?lich ?berzeugen, dass wir harmlose Touristen sind. Dies allerdings erst, nachdem ich ihm den Personalausweis gezeigt habe. Ja, dies sei Neighbourhoodwatching, hier auf dem Land passe jeder auf den Nachbarn auf. B?se Menschen, oder auch nur ungew?hnliche, h?tten hier keine Chance. Und ich m?sse damit rechnen, dass ein weiterer aufpassender Nachbar vorbei komme. Na ja, kennen wir schon. Fr?her war das zumeist der Sheriff.
Wir besuchen die ?Smokys? mit dem gleichnamigen Nationalpark. Hier ist es deutlich k?hler, die Temperaturen fallen nachts manchmal bis auf 10?C. Oft h?ngt dichter Nebel zwischen den Laub- und Nadelb?umen dieses h?chsten Gebirgszugs der s?dlichen Appalachen mit rund 2000 m H?he. Wir m?ssen noch rund zwei Wochen totschlagen, bis unser Flieger abhebt. Doch nach ein paar Tagen halten wir es nicht mehr aus; dieses Wetter ist irgendwie genau so schwer zu ertragen wie die zerm?rbende Hitze in den tiefer liegenden Gebieten.
Auf unserer Fahrt Richtung Atlanta treffen wir h?ufig auf Vertreter der Amish-People, jener seltsamen Menschen, die leben wollen wie ihre Urururgro?eltern im vorvorigen Jahrhundert. Seltsam bekleidet, mit R?cken und bunten Kleidern die Frauen, mit Hosentr?gern und wallenden Vollb?rten die M?nner, kutschieren sie in Einsp?nnern ?ber die Highways.
Wir finden einen herrlichen Campground am Ufer eines riesigen Binnensees, entstanden durch den Stau des Savannah-Rivers an der Grenze zwischen South Carolina und Georgia. Himmliche Ruhe, ein leichter Wind und pl?tschernde Wellen, als wir uns mit unserem winzigen Schlauchboot auf die endlose Wasserfl?che wagen. Kaum Besucher; auch im S?den der
USA ist die Ferienzeit vor?ber.
?God must have blessed you? meint die ?ltere Dame am Beginn der Stra?enbaustelle, als sie uns mit dem Stoppschild anh?lt und von unserer Reise um die Erde erf?hrt, die wir mittlerweile ja hinter uns gebracht haben. Eigentlich schon seit wir Alaska erreichten. Hat uns Gott wirklich gesegnet? Frage ich mich, wenn ich mir deren Ablauf noch einmal vergegenw?rtige. Da waren die endlosen Strecken in Sibirien, jene 20 000 km, die ich v?llig allein zur?ckgelegt habe. Sie f?hrten mich zu den Gulags an der Kolyma, nach Jakutzk und an den Pazifischen Ozean. Durch Hitze, Staub, ?ber zerm?rbende russische Stra?en. Im Anschluss daran durch die unendlichen mongolischen Weiten, durch von sanftem Pr?riegras bestandene H?gellandschaften. Hier fehlten Stra?en in unserem Sinn v?llig. B?che waren zu furten, die uns und dem Auto alles abverlangten.
Unvergleichlich China, das Reich der Mitte, mit seiner viele tausend Jahre alten Kultur, die mittlerweile von der Moderne verdr?ngt wird. Explodierende Gro?st?dte, einsame Steppen und W?sten, das Tibetische Hochland, Sauerstoffmangel in den N?chten, dichter Stra?enverkehr ohne jede Regelung, herzliche Menschen?..Die Erinnerungen lassen sich nur schwer in Worte pressen.
Mindestens ebenso endlos wie die sibirischen und mongolischen Steppen, doch viel ?der und rauer, zeigte sich dann die argentinische Pampa Die Hauptverbindungsstra?e, die Routa Quarenta, war mit den sibirischen R?ttelstrecken durchaus vergleichbar. Feuerland, das Ende der Welt, ein absoluter H?hepunkt der Reise. Unvergleichlich die Sch?nheit der Anden mit ihren Nationalparks und auf chilenischer Seite Patagonien. St?ndiger Wind, oft Regen, auch im Sommer kalt. Die Armut der Urbev?lkerung in Bolivien und Peru, die reichen Kultursch?tze Mittelamerikas und endlich der Eintritt in die Urlaubswelt der
USA und Kanadas?..
Ja, Gott hat uns gesegnet. Mit tausend Erinnerungen an die liebenswerten Menschen, die wir unterwegs getroffen haben, an tausende von Kontakten und an die unbeschwerten , stressfreien Monate unserer Reise in Nordamerika, die so g?nzlich im Widerspruch zu den teilweise albtraumhaften Grenz- und B?rokratieerlebnissen vorher stand. Doch auch Probleme geh?ren zu einer Reise um die Welt. Wir wollen sie nicht kleinreden und verschweigen, im nachhinein nicht einmal darauf verzichten. Am Ende werden ohnehin nur die positiven Eindr?cke wirklich Bestand haben.